Wenn sich zwei extrem veranlagte Alleingänger treffen, kann es sein, dass sie sich aus dem Weg gehen. Die Leidenschaft für eine Sache muss Menschen nicht zwangsläufig zusammenführen. Mitunter kann es jedoch geschehen, dass sie nicht aneinander vorbeikommen, weil sich jeder für die Leistungen des andern interessiert. Wird dabei erkannt, dass die eine Begabung die andere in irgendeiner Weise bereichert, kann die Begegnung für beide zum nachhaltigen Ereignis anschwellen. So ungefähr ist die bis heute andauernde und fruchtbare Beziehung zwischen Beat Rosenberg und mir entstanden, als wir uns vor etwa zwei Jahrzehnten an einer Vernissage kennen und schätzen lernten. Obwohl wir weit entfernt voneinander leben, und uns dazu selten sehen, ist der Kontakt mit wenigen Unterbrüchen bestehen geblieben. Keine Selbstverständlichkeit, denn Menschen mit einem schier unstillbaren Freiheitsdrang sind meistens zu eigenständig, als dass eine flüchtige Begegnung ausreichen würde, um eine dauerhafte Verbindung einzugehen. Das wirksame Verhältnis ist mitunter darauf zurückzuführen, weil die eigene Leidenschaft nicht erklärt werden muss und das oft verbissen scheinende Schaffen gegenseitig akzeptiert, respektive als dessen logische Konsequenz betrachtet wird. Im Weiteren verbindet uns die stete Suche nach neuen Herausforderungen, der Respekt vor allem Schöpferischen und, dass keiner dem anderen in den persönlichen Wirkungskreis dreinredet, jeder den andern akzeptiert, so wie er ist. Dem gemeinsamen Verständnis, dass Kunst lesbar ist, entsprang die Idee, dass meine Fassungen sich nicht mehr allein auf den Künstler Rosenberg beschränken, sondern auch seine Werke in eine textliche Form umgesetzt werden sollen. Ein gewagter Schritt, denn Rosenbergs mannigfaltige Gestaltungen bedürfen kaum der Worte, sie sprechen für sich selbst. Genau diese Tatsache ist für uns Individualisten der Anreiz, den konventionellen Weg wieder einmal zu verlassen, um dem Gewohnten neue Akzente zu verleihen. Wenigstens versuchsweise.
Beat Rosenberg ist ein Phänomen. Im Freiamt aufgewachsen, in der Algarve sesshaft. Dem Genügsamen und der Natur verbunden, dem Unabhängigen und Erfreulichen, dem Bekannten und dem Fremden zugetan, ist er beseelt davon, seinen inneren Bildern Gesicht und Form zu geben. Gestalten ist für ihn mehr als Schöngeisterei. Es ist eine Leidenschaft. Das ausgeprägte handwerkliche Geschick, gepaart mit phantastischem Vorstellungsvermögen und eisernem Durchhaltewillen, ist eine Begabung, die sich wie ein roter Faden durch sein Wirken zieht. Sei dies als Maler, Raumgestalter oder Skulpteur, als Mensch mit vorausahnenden Fähigkeiten, als Kulturorientierter seiner Wahlheimat oder als kritischer Beobachter in Zeit und Raum. In jedem Bereich sind es seine Visionen, die nach aussen drängen und Realität werden. Sein Wissen, seine Tüchtigkeit und die Übertragung seiner Vorstellung in die Wirklichkeit basieren auf einem starken Kern: Dem Zusammenspiel von Leidenschaft, Konzentration und Meisterhaftigkeit. Das breite Spektrum seiner gestalterischen Ausdrucksweise zeigt sich im Ausloten der formvollendeten Möglichkeiten zwischen Konkretisierung und Abstraktion. Rosenbergs Kunstwerke erzählen von der Welt der Farben und Strukturen. Und sie zeigen, wie Gestaltkraft durch Leitgedanken neue Wirklichkeit erzeugt.
Die Seele ist eine Blüte, die sich mit ihrer Offenheit dem Licht darbietet, sich durchdringen lässt. Sie will so viel Licht auffangen, um selbst Licht zu werden. Und wird Licht!
Fast alles Leben unterliegt einer natürlichen Ordnung, in der sich Licht und Dunkelheit abwechseln. Was die Finsternis verhüllt, deckt die Helligkeit auf. Denn Licht ist mehr als keine Düsterkeit. Licht ist die aufhellende Urquelle allen Geschehens, ohne das nichts gedeiht. Wer könnte sich daher der Leuchtkraft verschliessen, wenn sie das Wohlergehen der ganzen Welt verbessert?
Klar Schiff machen, bekannte Ufer verlassen, neue Ziele ansteuern, heisst nicht, das Geläufige für wertlos halten. Manchmal muss man sich vom Gewohnten trennen, um den eigenen Weg zu finden. Weggehen bedeutet nicht, die Brücken hinter sich abbrechen. Werden Brücken zerstört, gehen auch Beziehungen verloren. Die Gemeinschaft, jede Art von Austausch findet dann ein Ende. Wo es keine Vertrautheit gibt, verkümmert das Leben. Im böswilligen Trennen keimt Feindschaft. Hier überspannt der kühne Steg gemächlich fliessendes Wasser. Bei Unwetter kann es aber zum reissenden Fluss anschwellen. Dann wird die Brücke lebensnotwendig. Brücken sind ein Zeichen für Verlässlichkeit. Sie sind wie gute Freunde, die uns in schwierigen Situationen das Vorwärtskommen oder das Rückkehren ermöglichen.
Was für ein erhebender Anblick! Die Berge leuchten, als sei der Fels nicht mehr Fels, sondern silbernes Geschmeide, vom Lichteinfall her mit zarten Farben angehaucht. Das grandiose Panorama lockt fort aus der Enge, misst die Endlichkeit aus und fordert heraus ins Unendliche. Darüber ist nur noch der Himmel. Das beschauliche Nebeneinander von Spitzen, Flächen und Schattierungen verbreitet Einklang, Stille und Würde. Berge haben einen langen Atem. Sie schauen uns zu. Sie können auch unsere Lehrmeister sein. Vor ihnen wird das Vergehende klein, das Bleibende erhält mehr Gewicht. Wie für den Alpinist eine Besteigung eines hohen Berges eine Herausforderung mit ungewissem Ausgang darstellt, ist für den Erbauer ein derart überdimensionales Werk ein Wagnis mit unsicherer Wirkung. Wer an den Bergen Mass nimmt, wird unweigerlich auf seine eigenen Fähigkeiten reduziert. Wie viele Diskussionen waren vonnöten, um die verschiedenen Ansichten und Meinungen in Einklang zu bringen? Wie oft mussten Kompromisse in Kauf genommen und neue Ansätze gefunden werden, damit jedem Aspekt Rechnung getragen wurde? Wie manche schlaflose Nacht bereitete dem Gestalter das Unterfangen, bis alles unter Dach war und er es wagte, seine Absicht zu verwirklichen? Einmal mehr wurde der Mut belohnt. Denn bekanntlich wird das Scheitern nur durch das Umsetzen von der Idee in die Tat begrenzt.
Aufwachen! In die Schönheit der Urkraft sich versenken. Sich festigen am unerschöpflichen Quell der Betrachtung. Am Ort wo Beginn und Ende sich nahe sind. Durchhalten.
Loslassen! Frei werden von Logik. Dem Bewusstsein die Fülle des Augenblicks gewähren. Erfahren wie die Last der Norm zerfällt. Annehmen.
Werden! Farben ergründen. Formen erfühlen. Dem Gleichklang verfallen. Umsetzen.
Von der Geburt an über alle Stufen der Freude, des Schmerzes und des Trostes ist der Wald für uns da und beschenkt uns ausgiebig mit seinen Gaben. Freundschaftlich reicht er uns seine grüne Hand und umfängt uns mit leuchtendem Schweigen. Unter seinem Dach finden wir Schutz. Er öffnet uns geheime Wege, lockt mit unzähligen Stimmen, belebt mit reizvollen Gerüchen, verleiht uns neue Energie und lässt uns in seiner Ruhe zu uns selbst finden.
Auch wenn es heiss zu und her geht, behält er einen kühlen Kopf. Virtuos, den diskreten Blick in die Runde schweifend, hantiert er mit dem Shaker, mixt Drinks und gewährt da und dort ein angedeutetes Lächeln. Bestellungen werden mit verständnisvollem Kopfnicken entgegengenommen. Missverständnisse sind selten. Man kennt sich. In schwachen Momenten vertrauen ihm Stammgäste mehr an, als nur ihre flüssigen Vorlieben. Er ist ein verschwiegener Zuhörer. Zurückhaltung heisst seine Devise. Für ihn ist der Gast König – auch dann, wenn ihm manchmal zu später Stunde das königliche Benehmen abhanden kommt.
Als die Samen vom Wind getragen ihren Platz fanden, wussten sie, hier gehören wir hin, hier bleiben wir. Sie keimten, schlugen Wurzeln und gediehen.
Nun stehen sie da, farbstrotzend und Eingebunden in das Wurzelwerk. Und obwohl ihnen das Weggehen verwehrt ist, haben sie genügend Freiraum, um eigene Wege zu gehen. Vielleicht sind sie gerade deshalb frei und können sich entfalten, weil viele Wurzeln sie umgeben, umschlingen und halten.
Die Erde ist voller Bäume. Scheinbar geistlos stehen sie herum. Doch auch sie sind einmal entstanden, haben ureigenes Leben und Zukunft. Keiner gleicht dem anderen. Jeder ist einzigartig, hat seinen Platz und seine Bedeutung. Ob hart, biegsam, knorrig, kahl, belaubt oder mit Nadeln, alle sind sie Geschichtsträger und Vermittler einer längst vergessenen Zeit. Bäume sind stumme Botschafter. Sie reden im Schweigen, mit verschiedenen Sprachen. In mancherlei Zeichen teilen sie uns ihr Wissen mit. Wenn wir uns Zeit nehmen, diese Äusserungen zu verstehen, diese Symbole zu deuten, werden wir vieles erfahren, das sich über die Dauer menschlichen Daseins hinwegsetzt.
Die Zähigkeit der Eiche. Die Leichtigkeit der Birke. Die Lieblichkeit der Linde. Das Blühen des Kirschbaums. Die Nachgiebigkeit der Weide. Die Widerstandskraft der Buche und im Herbst das Fallenlassen der Blätter.
Im Wald, einem wesentlichen Teil des Landschaftsbildes, wird einmal mehr sichtbar, dass in der Natur nichts gering ist. Aus winzigen Samen, von denen jeder einzelne das ganze Geheimnis der vollendeten Schöpfung in sich birgt, entwickelt sich eine stattliche und abwechslungsreiche Baum- und Pflanzenwelt. Im Schutz der Ahnen wächst die Nachkommenschaft heran. Das vielfältige Zusammenleben ist ebenso einzigartig wie vorbildlich und eignet sich für uns Menschen in mancher Beziehung bestens zur Nachahmung.
Es schillert und blinzelt und zuckt und blinkt und schimmert und leuchtet und flimmert und wirbelt und flirrt und schwirrt und schwärmt und wogt und wallt und fliesst und flutet und brandet und brodelt und sprudelt und strömt und quellt und schwimmt und taucht und planscht und klatscht und platscht und spritzt und manscht und mischt und mengt und quirlt und wühlt und jagt und lebt!
Das flirrende Licht zaubert Gesichter auf die Oberfläche. Bäume werfen Schattenrisse. Einmal sind sie beredter als Worte, dann wieder machen sie still und schenken Frieden. Ein Wechselspiel von Farben und Mustern, die umeinander ringen in Abstand und Nähe. Auch der Maler spielt mit dem Licht, mit dem Lichttanz, der immerzu neue Schemen hervorzaubert, andere Kompositionen erschafft. Sich selbst entrückt, versunken in die Strahlkraft, tanken seine Augen die Sonnenbilder, geben sie spontan an seine Hand weiter, die den Lichtspielzauber auf die Leinwand bannt.
Obwohl Beat Rosenberg meistens in seinem Atelier arbeitet, zieht es ihn immer wieder hinaus zu den Menschen. Das Individuum in seinem angestammten Wirkungsbereich fasziniert ihn auf besondere Weise. Diese Begeisterung findet ihren Niederschlag in seinen einfühlsamen Porträts. Denn nirgendwo kommen die Spuren des Lebens klarer zum Ausdruck, als in den Gesichtszügen. Daher ist für ihn jedes Angesicht wie ein geöffnetes Buch, aus dem man lesen kann. Aber was für eine Kühnheit, das Antlitz eines Menschen in den schillernsten Farben darzustellen! Auf den ersten Blick nimmt einen die Intensität der Abbildungen derart in Beschlag, dass man geneigt ist zu sagen: „Die Farben fressen die Seele auf.“ Erst mit der nötigen Distanz löst sich der Farbentaumel auf und gibt in ungeschminkter Weise preis, was den Mensch geprägt hat. Es sind denn auch genau diese Farbexzesse, welche die Beziehung zwischen dem Menschen, seiner Lebensweise und der ihn umgebenden Landschaft zum Ausdruck bringen. Mit perfekter Pinselführung fördert Rosenberg den jeweiligen Charakter ans Licht, schafft Einblick in dessen Verfassung. In seinen Gesichtern blickt die Seele nach aussen, ohne den eigentlichen Menschen dadurch zu entblössen. Im Gegenteil, einfühlsam verleiht er jedem die gebührende Eigenständigkeit und Würde. Doch genug der Worte, die ohnehin nur einen Bruchteil dessen widerspiegeln, was die intime Thematik jedem Betrachtenden unmittelbar und immer wieder aufs Neue auszusagen vermag.
Mein Porträt willst du beschreiben? Dass ich nicht lache! Genügt dir denn das Betrachten nicht? Was kann deine analytische Wortklauberei bedeuten, wenn jeder Pinselstrich einen Teil meiner Lebensgeschichte preisgibt? Ach so – du möchtest das Erleben des Künstlers ins Wort bringen! Sein Werk sozusagen meditativ erschliessen; dem Betrachter Wort für Wort erklären, was die gekonnte Linienführung ohnehin aufzeigt. Ganz schön mutig, um nicht eingebildet zu sagen. Dann lass dich mal nicht aufhalten mit deinem Fabulieren. Muss ja ungemein interessant sein, andere von ihrer eigenen Meinungsbildung abzuhalten! Doch wer weiss, vielleicht dreht der Maler den Spiess einmal um und pinselt deine Niederschrift nach seinem Gusto auf die Leinwand, um den Leuten bildmässig darzustellen, was sie textlich vielleicht anders auslegen würden.
Nie wird uns der Wald den Zugang zu ihm verweigern. In allen Stimmungslagen können wir uns ihm sorglos anvertrauen. Geduldig hört er uns zu und nimmt uns versöhnlich in seinen schützenden Arm. Mit all dem Leben, das er im Verborgenen beherbergt, mit all den Tieren, Farnen, Flechten, Moosen, Pilzen, und Blumen spricht der Wald eine dem Menschen nahe Sprache.
Wenn Hunger der Vergangenheit angehört. Wenn Macht nur noch ein Fremdwort ist. Wenn Geld nicht mehr die Welt regiert. Wenn Einfluss die Herrschaft verliert. Wenn Menschenrecht beachtet wird. Wenn Respekt im Vordergrund steht. Wenn Nahrung Dankbarkeit bewirkt. Wenn Natur höchstes Gut bedeutet. Wenn Frieden zum Alltag gehört. Wenn Gesetze überflüssig sind. Wenn Mitgefühl verbindet. Dann lebt der Mensch im Einklang, wie es seit Anbeginn gedacht ist.
Vor golden strahlender Kulisse hat er es sich bequem gemacht. Er braucht weder Polster noch ein Dach über dem Kopf. Ihn drückt kein unnötiger Ballast. Für seine Einkehr genügen ihm zwei Stühle unter freiem Himmel. Er kann loslassen, hat die Hast auf Reisen geschickt und erkannt, dass Ausruhen keine Zeitverschwendung ist, sondern ein dankbares Annehmen aus des Lebens wahrer Fülle.
Aufwachen! Eintauchen in die Schönheit der Natur. Am Ort, wo Beginn und Ende sich nahe sind. Sich stärken am unerschöpflichen Quell der Betrachtung. Den Hauch des Friedens einatmen. Dem Klang der Stille folgen. Der Lautlosigkeit verfallen. Die innere Fülle spüren. Geniessen, wie die Trugbilder des Lebens verblassen.
Wenn Energie und Freude ineinanderfliessen, Darstellungen eine Melodie auslösen, wird im Klang der Farben eine heilende Kraft spürbar, die alles in einem erfüllenden Licht erscheinen lässt.
Im Akt des vertieften Betrachtens entsteht Raum für das Verdrängte. Das Herz wird frei, leicht und offen der Sinn für alles Schöne, das die Seele wachruft und empfindsam macht.
Kühl ist es nun, das Metall der gegossenen Figur. Gut, die Hände daran zu legen, um damit das heisse Blut zu kühlen. Gut, den Blick darauf ruhen zu lassen, um die heisse Glut der ruhelosen Gedanken zum Erkalten bringen. Gutes fliesst in das Blut und in den Geist aus ihrer Kühle. Das Gute des Erzes, das geschmolzen und gegossen wurde, bis es still geworden ist in der Erstarrung seiner befohlenen Form. Und wie die Bewegung schön ist, ist auch die Erstarrung schön. Sie ist das einzig Sichere, denn durch ihre bronzene Ruhe brechen keine Wünsche mehr. Niemand weiss von ihnen, und es ist, als wären sie nicht mehr da. Nur das Erstarrte weiss, was da ist, und bleibt. Es gibt kein Gebot der Veränderung mehr.
Die Freundschaft hat keinen Preis. Sie lässt sich nicht erkaufen. Freundschaft entdeckt sich in der Transparenz zweier Menschen. Sie erweitert sich im Dialog, kultiviert sich im Respekt, ernährt sich im Vertrauen und wächst mit der Aufrichtigkeit.
Den ganzen Sommer lang hatte die gleissende Sonne das Sagen, hat Wiesen und Felder versengt und Schollen eingeschmolzen, zu einem Farbenrausch, der die Gefühle definiert. Die Idylle täuscht. Die Erntezeit verschont keinen, zerrt an den Nerven, lässt keine Ruhe aufkommen. Die Natur gibt den Ton an. Die Menschen müssen vollenden, was in der Erde begann.
Ist die Frucht eingebracht, wiegen sich die knorrigen Bäume, die den glühenden Äckern trotzen, im Rhythmus des Windes und laden als Vortänzer die Helfer zum Feste ein. Die Zeit zum Danken ist gekommen, zum gemeinsamen Feiern: Im Lied und im Tanz, mit Wein und mit köstlichen Speisen. Das Fest ist der Ausklang ihrer Arbeit, verleiht Anerkennung und neue Kraft. Mitunter kommt Wehmut auf, und mit ihr beginnt wieder das Warten und Wachsen – drinnen und draussen.
Schauen – auch wenn es nichts zu sehen gibt. Hinhören – auch wenn alles ruhig ist. Schweigen – auch wenn das Reden wichtig scheint. Innehalten – auch wenn es eilt. Dann gibt die Innenwelt Geheimnisse preis, die dem Lauten und Hastigen entgehen.
Mittagsglut bleicht die Fassaden aus, verschweisst Häuser, Gärten und Landschaft zu einer Einheit. Nichts regt sich. Stummen Beschützern gleich trotzen die lotrechten Zypressen dem Meer des Lichts, halten Wache über das hitzemüde Dorf. Die Wolken am Nestrand, die den Himmel von der Erde trennen, bauschen sich in die zartblaue Ewigkeit. Sie lassen sich nicht einfangen. Sie kann man nicht bezwingen. Ihnen ist das Stehenbleiben verwehrt. Ihr Weg ist unausweichlich, verliert sich im Unendlichen. Und mein Weg?
In seinem Gesicht liegt Güte. Er ist zufrieden. In ihm kreist das Blut nomadischer Völker. Schafe und Weide bestimmen sein Leben. Untrennbar mit der Natur verbunden. Verwoben ins Muster der Landschaft. Sein Alter ist schwer zu schätzen. Das Umherziehen ist hart. Wind und Wetter zerren an den Kräften. Geduldig und frei von Zwängen schaut er über den Maler hinweg. Ungestört soll er sein Werk vollenden. Auch er wird sich danach wieder um seine Herde kümmern. Hirte sein ist Berufung. Kostbares Erbe der Ahnen.
Unser Dasein verläuft in Etappen. Zuweilen führt es uns auf direktem Weg zu Höhepunkten, dann wieder über Fehlgänge in Notlagen und Mutlosigkeit. Immer wieder gelangen wir dabei an Haltestellen, damit wir uns besinnen und auf das Wesentliche konzentrieren können. Leben ist Wachstum, will sich entfalten. Keinen Wandel mehr zulassen, am Bestehenden festhalten, hemmt Motivation und Begabung. Wer Veränderungen annimmt, erlebt eines Tages die bessere Zukunft.
Wenn wir entmutigt von unseren Umwegen Einkehr halten bei uns selbst, kann es geschehen, dass sich der Zufluchtsort auftut, der uns beim Herumtreiben abhanden gekommen ist: unser wahres Selbst, innerste Festung der Läuterung und Besinnung, die aller Verletzbarkeit standhält, die uns jederzeit schützt, heilt, stärkt und anspornt, unseren Weg zu ergründen. Nehmen wir den persönlichen Beistand an, verstehen wir den Sinn der Abweichungen und getrauen uns danach unsere Lebensreise wieder fortzusetzen.
Es tut gut, am Wasser zu sitzen und das eigenwillige Strömen zu betrachten, das nicht fragt, woher es kommt und wohin es geht, wem es nützt und kein Bedürfnis hat sich zu verändern, sondern nur da ist, seinen Zweck zu erfüllen. Im stillen Schauen auf das unaufhaltsame Fliessen verstehen wir, was es heisst, kommen lassen, was kommen will und gehen lassen, was gehen will. Und so wie das Wasser immerzu fliesst, sich nirgends festhält, keine Grenzen kennt, sich ständig erneuert – und doch immer Wasser bleibt, verhält es sich auch mit uns Menschen: nie können wir unser wahres Selbst verlassen. Jeder ist immer selbst die Quelle seiner hoffnungsvollen Entwicklung.
Buschwerk, Blumen und Teich in allen Schattierungen, verschmelzen tanzend zu einer Farbsymphonie. Wo hört die Einsäumung auf? Wo beginnt das verwirrende Lichtspiel des Wassers? Selbst die aufragenden Bäume verkünden schwerelos, – fast durchsichtig – die Einheit von Anfang und Ende. Man kann sich nicht satt sehen an diesem sonnendurchtränkten Werden, das kein Ende nimmt. Wer hier Mass nimmt, erlebt die Vollkommenheit der Schöpfung und wird bereit, sich ihrem Anspruch zu stellen.
Wenn die Sonne mitspielt, ertrinken die Farben im lichtdurchfluteten Blättermeer. Auf dem Wasser ihr blinzelnder Tanz, vollführt nach einer geheimnisvollen Melodie, die der säuselnde Wind in vergessenen Fernen anstimmt. Am Ufer entspannte Menschen, ins Muster der Landschaft verwoben. Ursprünglichkeit umspült ihre Wurzeln. Hier gehören sie hin. Sie sind mit der Erfahrung des schillernden Lichts vertraut. Eine dichterische Darstellung, die auf knappem Raum aussagt, was Geborgenheit ist und daher eine enorme Anziehungskraft ausübt, die bleibt, auch wenn sich Schatten über das Ufer legen.
Der Sommer brennt aufs Dorf. Die Fenster haben die Augen geschlossen, verwehren der Sonne den Einlass, die Rot lodernd den Himmel färbt, sich auf Häuser aus Stein und Lehm stürzt und Gärten voller Verheissung ausglüht, aus denen betörende Düfte strömen. Menschen und Tiere sind vor der Gluthitze hinter die lichttrunkenen Mauern geflohen. Es gilt auszuharren im Nichtstun, im Einerlei, im Sinnieren. Erst am Abend beginnt wieder die Arbeit. Erst mit den wachsenden Schatten, erst mit dem aufkommenden Wind wird es kühler. Wenn die Farben verblassen, weicht die Betäubung, erwachen neue Kräfte. Das Dorf beginnt wieder zu leben. Der Maler räumt das Feld, er hat sich dem zerfliessenden Licht der gleissenden Sonne verschrieben.